Welche Materialien eignen sich für Borddurchlässe und Seeventile, auch langfristig bei Wasser mit hohem Salzgehalt? Ein kleiner Ausflug in die Materialkunde.
Was sind Seeventile und Borddurchlässe?
Seeventile und Borddurchlässe sind Übergänge vom Rumpf nach Außen, die typischerweise dazu dienen, Materie aus dem Schiff zu befördern oder ins Schiff hinein zu bringen. Beispielsweise werdet ihr unter der Spüle in der Pantry einen Durchlass finden, der euer Spül- und Nudelwasser ins Meer befördert. Beim Bord-WC findet man einen Durchlass, der frisches Wasser von außen ansaugt und einen weiteren, der das Schwarzwasser nach draußen bringt. Auch der Motor hat ein Ventil, um kaltes Seewasser zur Kühlung anzusaugen.
Das gesamte Konstrukt besteht aus mehreren Teilen. Der sogenannte Borddurchlass, der wie eine Manschette um das Loch im Rumpf liegt und auf der Innenseite ein Gewinde hat. Auf dieses Gewinde wird dann im Normalfall ein Seeventil geschraubt, das per Hebel oder Drehrad geöffnet und geschlossen werden kann. Daran verbunden sind dann meistens Schläuche.
Bei Borddurchlässen und Seeventilen ist nicht zu spaßen, denn sie liegen häufig unter der Wasserlinie. Man sieht ihnen ihr Alter und ihren Zustand nicht immer an, und zack, plötzlich ist es zu spät. Ich habe mal ein Ehepaar auf der Chesapeake Bay in den USA getroffen, die sich dort ein Schiff gekauft hatten, das auf der allerersten Fahrt zum neuen Heimathafen plötzlich Wasser gemacht hat und innerhalb von 10 Minuten gesunken ist. Grund war, wie sich später herausgestellt hat, ein defektes Seeventil.
Wenn man sich nun mit dem Thema Seeventile und Borddurchlässe beschäftigt, dann stellt man schnell fest, dass es viele verschiedene Materialien gibt. Nicht alle sind gleich gut geeignet für den dauerhaften Einsatz in salzhaltigem Wasser. Bronze, Messing (vernickelt oder nicht?), Edelstahl oder gar Plastik?
Borddurchlässe und Seeventile aus Bronze und Messing
Auf den allermeisten Yachten findet man Seeventile aus Bronze und Messing. Bei den zwei Werkstoffen handelt es sich um Kupferlegierungen – und ihr wisst ja, was noch aus Kupfer hergestellt wird: Kabel. Die elektrische Leitfähigkeit ist bei Bronze und Messing ebenfalls vorhanden und auf Yachten daher durchaus ein Problem. Kupfer und Zink (CuZn) bilden den Werkstoff Messing, während Bronze eine Legierung aus Kupfer und Zinn (CuSn) ist, wobei noch weitere Metalle hinzugefügt werden können, um gewisse Materialigenschaften zu erzielen. Messing wird beispielsweise manchmal Nickel hinzugefügt, Bronze hat mindestens 60% Kupfer und es gibt verschiedenste Legierungen mit Namen wie Bleibronze, Manganbronze, oder Rotguss (mit Zinn, Blei und Zink).
In Bezug auf Bronze und Messing lässt sich kurz zusammenfassen: Die Materialien CC491 (CuSn5Zn5Pb5) sowie CC480K (CuSn10) sind gut geeignet für Gussteile, da sie nicht korrodieren. CW706 (CuZn30Sn1As) ist gut geeignet für Ventile und Rohre, da bei diesem Material Spannungsrisse unwahrscheinlich sind. Und Spannungsrisse können in der Tat ein Problem sein – selbst wenn das Messing korrosionsbeständig ist. Diese können durch Ammoniak, das sich in vielen Reinigungsmitteln befindet, begünstigt werden. Was unbedingt vermieden werden sollte, ist sogenannter „Automatenmessing“ – auch bekannt als MS 58 oder CW 617N. Dieser Messing ist anfällig für Entzinkung sollte somit nicht in Salzwasser verwendet werden. Was ist das Problem bei Entzinkung? Nun, wenn Messing einen hohen Zinkanteil hat, dann wird Zink durch galvanische Korrosion im Seewasser abgetragen und das Messingteil wird – salopp gesagt – löchrig, porös und instabil. Diesen Effekt machen wir uns bei Zink-Opferanoden zunutze – dort wollen wir ja, dass die Opferanode abgenutzt wird und eben nicht unser Propeller und unsere Welle. Bei einem Borddurchlass wollen wir genau das natürlich nicht! Faktisch wird MS58 jedoch bei diversen Werften nach wie vor verbaut (notabene Bavaria) – zwar mit Verzinkung, aber nichtsdestotrotz würde ich das an meinem eigenen Boot nicht haben wollen. Stichwort Opferanode: Gerade bei amerikanischen Yachten sieht man häufig, dass die Seeventile geerdet sind (erkennbar an einem Stromkabel, dass zum Ventil geht) und nicht selten sieht man auch eigene Opferanoden für jedes Seeventil.
Wo bekommt man gute Seeventile aus Bronze?
Doch wo findet man überhaupt Borddurchlässe und Seeventile aus CC491, CC480K oder CW706? Tatsächlich sind die meisten metallischen Borddurchlässe und Seeventile, die verkauft werden, nicht korrosionsbeständig. Pi mal Daumen kann man sagen: Wenn in der Produktbeschreibung keine Legierung angegeben ist oder auf dem Produkt keine Stanzung wie z.B. „RG7“ zu finden ist, dann ist das Produkt wahrscheinlich minderwertig und sollte auf Booten nicht verwendet werden. Hinzu kommt leider noch, dass im Kugelhahn die Kugel häufig nicht aus dem gleichen Material wie der Hahn ist sondern aus Messing oder günstigem Edelstahl. Beim Bestellen von neuen Seeventilen und Borddurchlässen also ganz genau hinschauen.
Bei Toplicht wird man fündig:
Borddurchlässe und Seeventile aus Edelstahl
Was Edelstahl angeht, so kann man sagen, dass V2A und V4A für Borddurchlässe nicht ausreichend beständig gegen Korrosion sind. Über der Wasserlinie ja, unter der Wasserlinie nein. V4A hält zwar länger durch als V2A, aber wenn man Edelstahl möchte, dann besser 254 SMO – das speziell für den Einsatz in Meerwasser konstruiert wurde. Das schlägt sich natürlich auch im Preis nieder. Dies gilt übrigens auch für Edelstahl-Ankerketten; viele Edelstahl-Ankerketten sind nicht geeignet für Wassertemperaturen über 25 Grad – gute Edelstahl-Ankerketten mit Salzwasserbeständigkeit bis 35 Grad Wassertemperatur kosten für eine typische Fahrtenyacht schnell mal 8000 Euro.
Borddurchlässe und Seeventile aus Kunststoff
Seit einiger Zeit werden auch Borddurchlässe aus Plastik angeboten. Insbesondere die Marke Trudesign sticht hervor; sie baut Borddurchlässe und Seeventile aus faserverstärktem Polyamid. Großer Vorteil ist, dass die Seeventile und Borddurchlässe aus Composit-Materialien nicht elektrisch leiten, somit können Kriechströme dem Material nichts anhaben. Auszinkung wie bei Messing-Ventilen, die das Material schwächt, gibt es hier also nciht. Ein weiterer Vorteil ist: Die Kugelhähne sind frostsicher. Wer also sein Boot im Winter in kalten Revieren im Wasser lässt, sollte über Trudesign-Seeventile nachdenken. Doch es gibt leider nicht nur Vorteile: Die Ventile sind größer als jene aus Bronze. In kleinen Schränken unter Spülen oder eng bemessenen Motorräumen wird man sie nicht immer unterbringen können. Es gibt auch heute noch Werften, die sich gegen das „neumodische Zeug“ sträuben und sich weigern, Trudesign-Ventile zu verbauen. Dahinter steckt sicherlich der etwas höhere Preis. An Tests mangelt es jedenfalls nicht, denn die Produkte von Trudesign haben CE-, IMCI-, ISO- ABYC und Bureau Veritas-Zertifzierungen.
Auf Seeventile und Borddurchlässe beim Kauf einer Yacht besonders achten
Wenn ihr ein Boot besichtigt und plant, ohne externe Hilfe zu kaufen, werft auch einen Blick auf die Seeventile. Sind sie bei einer 40-jährigen Yacht noch original oder wurden sie kürzlich getauscht? Sind sie voller Grünspan und Salzwasserspuren? Um welches Material handelt es sich? Lassen sich die Hähne bewegen oder sitzen sie fest?
Wenn ihr euch selbst nicht in der Lage fühlt, den Zustand zu beurteilen, dann holt euch Hilfe von jemandem, der Erfahrung mit so etwas hat. Und im Zweifelsfall die Seeventile lieber einmal zu viel tauschen, als mit der Angst zu leben, dass die Sicherheit der Yacht aufgrund von defekten Ventilen gefährdet ist.